Emotional herausgefordert im Alltag

Schmerzhafte Erkrankungen, wie Lipödeme oder Lymphödeme sind selbst zwar keine psychischen Erkrankungen, ihre Auswirkungen auf die Lebensqualität haben jedoch enorme Folgen für die mentale Gesundheit von Betroffenen, da sich daraus durchaus psychische Beschwerden entwickeln können.

Zusammenhang zwischen Stress und Schmerz

Dass ein Zusammenhang zwischen einer erhöhten Schmerzwahrnehmung und Stress besteht, ist mittlerweile gut belegt. Selbst, wenn Stress nicht die primäre Ursache für die Entstehung eines Lipödems oder Lymphödems ist, zählt Stress zu aufrechterhaltenden Faktoren für die Schmerzen.

Ein Teufelskreis aus Schmerz und Unwohlsein ist die Folge: Die Schmerzwahrnehmung wird durch Stress verstärkt. Aus Schmerzen wird Unwohlsein. Aus Unwohlsein wird mehr Stress. Aus mehr Stress werden mehr Schmerzen. Und aus mehr Schmerzen werden Rückzug, Scham & Selbstkritik, woraus mehr Stress und mehr Leiden resultieren.

Auch der innere Leidensdruck ist hoch

Doch nicht nur von außen wirken Faktoren auf die psychische Stabilität von Lipödem- bzw. Lymphödem-Betroffenen. Lang gehegte Glaubenssätze, sogenannte intra-psychologische Faktoren sind für die Außenwelt zwar nicht sichtbar, lösen jedoch einen enormen Stress bei Betroffenen aus. Durch das stetige Wiederholen und Wirken dieser Glaubenssätze wird das innere System auf physiologischer Ebene langfristig belastet. Glaubenssätze können beispielsweise lauten:

„Ich muss dünn sein, um geliebt zu werden.“ oder „Ich muss viel leisten, um angenommen zu werden.”

Betroffene von Lip- und Lymphödem stehen vor der großen Herausforderung, trotz aller Beschwerden, sich selbst anzunehmen und ihren Körper zu akzeptieren. Was für gesunde Menschen bereits schwierig ist, offenbart sich für Betroffene angesichts der Schmerzen und Einschränkungen meist als schier unüberwindbare Hürde. Da ein Großteil aller Betroffenen zusätzlich unter einer Vermehrung von Fettzellen leidet, die zu sichtbaren körperlichen Veränderungen führen, sehen sie sich darüber hinaus auch sozialen Bewertungen in Form von Abwertungen ausgesetzt.

Psychologie als Begleitung für Betroffene

Die Veränderung des Lebensstils spielt bei der Behandlung sichtbarer Symptome von Ödemen eine große Rolle. Dazu zählen aus medizinischer Sicht vor allem die konsequente Veränderung des Ernährungsverhaltens, der Bewegungsintensität, aber auch eine Stressreduktion im Alltag sowie das Tragen von Kompressionsstrümpfen.

Auf psychologischer Ebene liefert die Verhaltensmedizin hilfreiche Unterstützung. Sie soll betroffene Menschen darin bestärken, die Verhaltens- und Therapieempfehlungen umzusetzen und langfristig aufrechtzuerhalten. Das Ziel besteht in der Verbesserung der Symptomatik und darin, das Potential einer Verschlechterung über die Zeit zu reduzieren. Eine psychologische oder psychotherapeutische Unterstützung kann zusätzlich dabei helfen, individuelle Stressfaktoren zu identifizieren und zu verbessern. Gleichzeitig werden Stressreduktions- sowie passende Entspannungstechniken erlernt. Beides gute Werkzeuge, um Ressourcen zu fördern und die Stresstoleranz zu erhöhen.

Ganz konkret: So helfe ich meinen Patientinnen

Nun wechseln wir die Perspektive für einen intensiven Blick nach Innen: Ich möchte dich mitnehmen, auf eine Exkursion in meine eigenen Erfahrungen aus der Praxis und mit meinen Patientinnen. Eine der häufigsten Fragen, die mir im Rahmen meiner therapeutischen Arbeit begegnet sind, ist …

„Wie kann ich mich selbst lieben und akzeptieren lernen?”

Die Frage nach der Selbstakzeptanz, also dem Bewusstsein, sich selbst Akzeptanz entgegenzubringen, ist eine Form unserer Selbstwahrnehmung. Da diese sehr eng mit unserem Selbstwertgefühl verbunden ist, ergibt sich ein sich gegenseitig bedingender Prozess: Die Arbeit an dem Gefühl, das du dir selbst entgegenbringst, entspricht der Arbeit an deinem Selbstwert. Verändert sich dieser, hat das automatisch Einfluss auf deine gesamte Selbstwahrnehmung. Diese Selbstwahrnehmung wiederum beeinflusst maßgeblich, wie viel Akzeptanz du dir selbst entgegenbringst.

Klingt doch eigentlich ganz einfach, oder?

Fast, denn beim Selbstwert geht es nicht um eine große Aufgabe, die einmalig erledigt wird, und dann ist der Selbstwert aufgebaut. Es geht um die alltäglichen Kleinigkeiten und Erfahrungen im Leben, in denen man dem eigenen Ich einen Wert zuschreibt. Und auch um Veränderungen in der eigenen Wahrnehmung.

Ich möchte dich ermutigen, selbst den Weg zum Selbstwert zu gehen. Nimm dir täglich Zeit, in dich hinein zu horchen. Stelle dir selbst Fragen zu deinem Wohlbefinden und bekomme ein Gefühl dafür, wo du mit deiner Selbstfürsorge aktuell stehst. Gerne helfe ich dir mit ein paar Einstiegsfragen dabei.

Fragen zur Selbstfürsorge: Wie geht es dir?

Die eigene Selbstfürsorge zu fokussieren, ist vor allem im Alltagstrubel eine Herausforderung. Mit ein paar Fragen zu Gewohnheiten und Routinen wollen wir erste Anhaltspunkte zum Selbstwert ermitteln:

Frage zur physischen Selbstfürsorge

  • Wie viel bewegst du dich täglich?
  • Wie viel Wasser trinkst du täglich?
  • Wie pflegst du deine Haut?
  • Wie sorgst du für eine angenehme Schlafroutine?
  • Schläfst du ausreichend? 
  • Nutzt du schlaffördernde Rituale?

Fragen zur psychologischen Selbstfürsorge

  • Was tust du, um dich so mit dir wohlzufühlen, dass es heute passend für dich ist
  • Bist du es dir wert, dir Zeit für die Dinge zu nehmen, die dich erfreuen?
  • Hast du dir schon einmal Zeit genommen, für dich herauszufinden, was dir gut tut?
  • Magst du es zu lesen?
  • Magst du Kunstausstellungen oder magst du selber einen Malkurs zu besuchen? 
  • Oder ist dir eher nach Musik und Badewanne mit anschließender „Beauty-Time“?

Voller Einsatz für deine Bedürfnisse

Sich und die eigenen Bedürfnisse zu kennen, ist ein maßgeblicher Faktor, wenn es um den Aufbau von Selbstwert und Selbstfürsorge geht. Nur, wer sich selbst kennt, kann sich für sich selbst einsetzen. Die Voraussetzung ist natürlich, die eigenen physiologischen und psychologischen Bedürfnisse und dazugehörende Emotionen wahrzunehmen, zu verstehen und kennenzulernen.

Hilfreiches Bild: Eine Medaille mit zwei Seiten

Ich möchte dir gerne ein Bild aus meiner psychotherapeutischen Arbeit mitgeben: Stell dir vor, du trägst eine Kette, wie eine Medaille. Auf der einen Seite steht ein JA und auf der anderen Seite ein NEIN.

Zu wem zeigt welche Seite? 

Sagst du zu anderen JA, zeigt die NEIN-Seite zu dir. Du sagst zu dir selbst also NEIN. Jetzt geh’ in dich und frag dich: 

Wie fühlt es sich an, zu dir selbst NEIN zu sagen?
Und wie fühlt es sich an, dies immer und immer wieder zu tun?

Zeigt die JA-Seite zu dir, dann zeigt die NEIN-Seite nach außen.

Wie fühlt es sich an, zu dir selbst JA zu sagen? 
JA, zu deinen Bedürfnissen? JA, zu deinem Wert?
JA zu DEINEM eigenen SELBSTWERT?

Mit Hilfe dir selbst begegnen

Es ist verständlich, dass du durch deine Erfahrungen Wut, Traurigkeit oder Scham in dir trägst. Denn auch, wenn Lipödeme bzw. Lymphödeme keine psychischen Krankheiten darstellen, können sich aus ihnen Selbstwertprobleme entwickeln. Besonders hoch ist die Wahrscheinlichkeit, wenn schon vor der Erkrankung ein negatives Selbstbild besteht. Psychische Erkrankungen, wie Depressionen, Angststörungen bis hin zu Suchterkrankungen und Schlafstörungen können die Folge sein.

Eine psychotherapeutische Unterstützung kann dir helfen, deine Gefühle zu verstehen, zu akzeptieren, die zugrundeliegenden Themen zu identifizieren und zu bearbeiten. Denn Akzeptanz bedeutet nicht, sich der Krankheit hilflos unterzuordnen. Daraus würden nur noch mehr Unzufriedenheit und Selbstwertprobleme resultieren. Es geht beim Umgang mit der Erkrankung darum, die Balance zwischen dem zu finden, was du verändern kannst und dem, was du nicht verändern kannst und demnach akzeptieren musst.

In der Art und Weise, wie du mit dir selbst umgehst und dich so unterstützt und unterstützen lässt, wie es für dich möglich und gut ist, liegt dein Weg zu Selbstwert und Selbstfürsorge.

Über die Expertin:

Nina Lejeune ist Psychotherapeutin aus Düsseldorf und leidenschaftlich engagiert in der psychophysiologischen Aufklärung und  Unterstützung ihrer Klientinnen. Als erfahrene Psychologin und psychologische Psychotherapeutin hat sie sich auf die Behandlung von Traumafolgestörungen und Stresserkrankungen spezialisiert. Ihre Arbeit geht jedoch weit über die klassische Therapie hinaus: Als zertifizierte Yogalehrerin und durch zahlreiche Weiterbildungen vermittelt sie tiefgehendes Wissen über das Nervensystem und dessen Einfluss auf den gesamten Körper. Ihre Expertise reicht von der Linderung von Schmerzen und Magen-Darm-Problemen bis hin zu Schwindel, Überforderungsgefühlen und verschiedenen Körpermissempfindungen. Mit großem Herzblut und Engagement hilft Nina ihren Patientinnen und Patienten, komplexe medizinische Zusammenhänge zu verstehen und ihre Gesundheit ganzheitlich zu verbessern.

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